Freitag, 10. Dezember 2010

Paris mon amour


Ich habe eine DVD gekauft mit dem Titel: Zimmer 202 Peter Bichsel in Paris (mit Peter Bichsel Peter von Matt, Peter Weber)

Meine Vorfreude war gross. Paris sehen mit den Augen des Schriftstellers. Vielleicht Unbekanntes erleben, Neues über die heimliche Geliebte erfahren, sie in einem andern Licht sehen.

Peter Bichsel war noch niemals zuvor in Paris gewesen. Er kannte die Stadt aber sehr gut aus der Literatur. "Er liebte die Stadt so, wie er sie kannte."

Was dann kam war wirklich eine Riesenüberraschung.

Es erinnert mich an den Italienischunterricht von anno dazumal, als wir unsere Klassenlektüre lasen, den Roman von Carlo Levi: Cristo si è fermato a Eboli. (Christus kam nur bis Eboli)

Peter Bichsel fuhr mit der Eisenbahn nach Paris. An der Gare de l'Est quartierte er sich im gleichnamigen Hotel ein und blieb dort, im Zimmer 202. " Peter Bichsel si è fermato alla Gare de l' Est.
"Ganze zwei Tage dauerte es, bis Peter Bichsel erstmals um den Bahnhof ging. Längst hatten wir begriffen, dass jetzt dieser Bahnhof, die Gare de l' Est, unser Paris war." Aus seinem Fenster im Hotelzimmer 202, schaute er auf den Bahnhof, ein kleiner Ausschnitt von Paris. "Nach fünf Tagen hatte Peter Bichsel sich eingelebt und widerstand allen Vorschlägen den Bahnhof zu verlassen. Er fühlte sich wohl dort, wo auch die Fremden dazu gehören. Er ging ins Restaurant um die Ecke, plauderte mit dem Hotelpersonal, schaute Fernsehen, vor allem die Übertragung der Tour de France. Ein Freund wollte ihn dazu überreden beim Einfahren der Athleten auf der Avenue des Champs- Elysées live dabei zu sein. Aber Peter Bichsel lehnte ab.

Rainer Maria Rilke haben wir es zu verdanken, dass der Schriftsteller doch noch den Bahnhof verliess und den Jardin du Luxembourg aufsuchte. Er wollte dort unbedingt mit eigenen Augen, das von Rilke in einem Gedicht so wunderschön beschriebene Karussell sehen.

Ich fand diesen Film hoch interessant und habe Paris wirklich von einer ganz neuen Seite kennen gelernt. Nach aussen hin geschah nichts Grosses, Spektakuläres. Ich schaute Peter Bichsel zu, wie er aus dem Fenster schaute und in sich hinein. Ein Film der leisen Töne, nachdenklich, still. Leicht passte ich mich dem gemächlichen Tempo an. In Rückblenden wurden Ausschnitte aus seinem Leben gezeigt. Erinnerungen an seine Schulzeit, seine Familie, die Klassenzusammenkunft mit seinen ehemaligen Schülern, alte Aufnahmen aus dem Fotoalbum, Auszüge aus seinen Werken, seine Ansichten über die aktuelle Weltlage. Peter Bichsel liebt Paris, er weiss alles über die Stadt, ohne sie je wirklich gesehen, besucht zu haben. Die Stadt Paris lebt in ihm, er trägt sie in seinem Herzen.

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